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Aus der TAZ 07.06.1995 Seite 06

Deutsches Radar auf Spitzbergen

Ny Alesund (dpa) - Im März haben die Forscher des Alfred-Wegener-Instituts über der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen eine 30prozentige Abnahme des Höhenozons entdeckt. Am Nordpol fehlte zeitweilig sogar die Hälfte des Ozons. Gestern hat Forschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) in Spitzbergen, knapp 1.300 Kilometer vom Nordpol entfernt, ein deutsches Ozon-Observatorium eingeweiht. Mit neuen Meßgeräten, wie zum Beispiel Lasern für Messungen zwischen sieben und fünfzig Kilometern, kann die Konzentration des Gases nun schneller gemessen werden. Laut Rüttgers hat die Bundesrepublik seit den 70er Jahren über eine Milliarde Mark für die Polarforschung aufgebracht. Ozon in Bodennähe greift die Lungen an. In den oberen Schichten der Atmosphäre hingegen wirkt es als ein Schutzschild für Lebewesen gegen die gefährliche ultraviolette Strahlung der Sonne. Die Station gehört zu einem kommenden internationalen Meßnetz zur Intensität der UV-Strahlung.


Aus der Spectrum der Wissenschaft 06.1995

Das Rätsel des weltweiten Amphibiensterbens

In den letzten Jahrzehnten nimmt der Rückgang von Fröschen und Kröten, Salamandern und Molchen globale Ausmaße an. Aber nur teilweise sind die Ursachen bekannt: Straßenbau, der Wanderwege abschneidet, sowie Versiegelung und Drainierung der Landschaft, wodurch Laichgebiete verlorengehen.

Die amerikanischen Biologen Andrew R. Blaustein und David B. Wake, die seit Jahrzehnten Verhalten, Ökologie und Fortpflanzung von Froschlurchen erforschen, verdächtigen weitere subtilere Umweltveränderungen. Ihrer Ansicht nach werden auch sie weitgehend vom Menschen verursacht. Wie sie im Juni-Heft von "Spektrum der Wissenschaft" berichten, fanden sie einen deutlichen Schwund von Populationen selbst in abgelegenen Gebirgsgegenden in den westlichen Vereinigten Staaten. Sie wurden stutzig, als etwa der Kaskadenfrosch (Rana cascadae) und die Nordkröte (Bufo boreas), die sie seit Jahren im Freiland untersuchen, dort kaum noch Nachwuchs haben.

Die Nachforschung ergab, daß befruchtete Eier massenhaft zugrunde gingen. Im Labor allerdings, wo die Forscher die Gründe experimentell eingrenzen wollten, schlüpften normal viele Kaulquappen. Der erste Verdacht der Wissenschaftler war, daß sich die Wasserqualität - möglicherweise durch Luftverschmutzungen und sauren Regen - verschlechtert habe. Doch Wasser aus dem natürlichen Lebensraum der Amphibien schadete den Embryonen nicht.

Vielmehr hatten die Brutexperimente ein überraschendes Ergebnis: Besonders solche nordamerikanischen Amphibien-Arten, deren Eier von Natur aus wenig vor der genetisch schädlichen UV-B-Strahlung der Sonne geschützt sind, vermögen ihren Bestand nicht zu erhalten. Dies bestätigten neuerliche Versuche in den natürlichen Laichgewässern: Wurden die Eier betroffener Arten mit einer für ultraviolettes Licht undurchlässigen Folie abgeschirmt, schlüpften etwa doppelt so viele Kaulquappen.

Nach Meinung von Blaustein und Wake ist ein bestimmtes Enzym im Spiel, das bei der Reparatur beschädigter Erbmoleküle mitwirkt: Die bedrohten Arten verfügen über weniger davon als andere Lurche aus denselben Regionen, die sich weiterhin normal vermehren.

Bislang filterte die Ozonschicht in der Stratosphäre die lebensfeindliche UV-Strahlung in starkem Maße. Die Prognosen, daß diese Schicht vor allem durch freigesetzte Kühlmittel (Fluorchlorkohlenwasserstoffe oder kurz FCKWs) dünner werde, erhalten somit alarmierende Bestärkung.

Doch sind die Hintergründe des weltweiten Amphibiensterbens damit längst noch nicht geklärt. Beispielsweise verschwinden auch manche Regenwald-Bewohner, deren Lebensräume scheinbar noch intakt sind und die sich oder ihren Laich nie der Sonne aussetzen. Offenbar sind die Wechselwirkungen, die dieser uralten und eigentlich nach Evolutionsmaßstäben zähen Wirbeltiergruppe neuerlich zusetzen, noch sehr viel komplexer, als Umweltforscher bisher annahmen.

Den vollständigen Artikel von Andrew R. Blaustein und David B. Wake finden Sie in der Juni-Ausgabe 1995 von Spektrum der Wissenschaft auf den Seiten 58 bis 63.


entnommen aus der Welt vom 15.06.1995 - Wissenschaft

Der Öko-Diesel verdient seinen Namen nicht

Bis zu sechs Prozent höherer Treibstoffverbrauch - Nur leicht bessere COĽ-Bilanz

Berlin - Nur eine Mark für neue Kraftstoffschläuche habe die Umrüstung seines VW-Passat gekostet, schwärmt Willi Heineking noch heute. Vier Jahre und Tausende Fahrtkilometer später kann sich der Unternehmer und niedersächsische Landtagsabgeordnete noch immer für Bio-Diesel vom Rapsfeld begeistern. Absolut störungsfrei sei der Betrieb gewesen.
Doch trotz positiver Einzelerfahrungen wächst die Kritik am vermeintlich umweltfreundlichen Dieselersatzstoff. Anfang der Woche sprachen sich gar Vertreter der Grünen gegen die Öko -Variante im Tank aus. Beim Alternativtreibstoff vom Acker handelt es sich um Rapsölmethylester (RME), der durch chemische Umsetzung aus reinem Pflanzenöl entsteht. Unbestritten reduziert der Öko-Diesel Abgasschadstoffe wie Kohlenmonoxid und unverbrannte Kohlenwasserstoffe. Eine Untersuchung des TÜV Bayern gemeinsam mit der Technischen Universität München und dem Bayerischen Landesamt für Umweltschutz bestätigte im vergangenen Jahr außerdem, daß bei der Verbrennung vom RME deutlich weniger Schwefeloxide frei werden, aus denen feste Sulfatteilchen entstehen können. Der Partikelausstoß und damit ein mögliches Krebsrisiko wird gegenüber herkömmlichem Diesel auf diese Weise vermindert.

Weniger positiv fällt dagegen das Ergebnis eines Flottenversuchs mit zehn Astra-Caravan-Diesel- und Turbodieselfahrzeugen der Opel AG aus: Ließe sich ein Leistungsverlust bis zu sechs Prozent und der damit verbundene geringfügige Dieselverbrauch noch verschmerzen, so stellten die Rüsselsheimer Tester sogar eine Zunahme der Stickoxidemission (NOx) im Abgasstrom fest. Stickoxide sind als Vorläufersubstanzen für Sommersmog gefürchtet, weil aus ihnen durch Einwirkung von intensivem Sonnenlicht Ozon entsteht. Außerdem sind Stickoxide für das Waldsterben mitverantwortlich.

Auch das Hauptargument der Bio-Diesel-Verfechter gerät ins Wanken: Lange galt der Öko-Treibstoff als klimaneutral, weil bei der Verbrennung von Rapsmethylester genausoviel Kohlendioxid frei wird, wie die Pflanze zum Aufbau ihrer Zellen vorher aus der Luft entnommen hat. Zusätzliche Mengen des Treibhausgases werden also nicht frei. Bezieht man allerdings die Prozeßkette bei der Erzeugung von RME mit ein, so liegen die Kohlendioxidemissionen nach einer Studie des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) bei zentraler Aufbereitung der Rapssaat nur noch 35 Prozent unter denen herkömmlichen Diesels. Ein Wert, der gut mit Forschungsergebnissen der Gelsenkirchener Veba Öl AG übereinstimmt. Ein möglicher Treibhauseffekt von Spurengasen wie etwa Ammoniak, das bei der Düngung von Rapspflanzen in die Atmosphäre entweicht, ist dabei nicht einmal berücksichtigt. Die COĽ-Bilanz ließe sich nur verbessern, wenn auch die landwirtschaftlichen Abfallprodukte der Rapsernte thermisch verwertet würden. Auch bei der Gesamtenergiebilanz rechnet die Ifeu-Studie einen unerwartet mageren Überschuß von kaum 17 Prozent zugunsten des Öko-Diesels vor.

Während man beim Hamburger Mineralölwirtschaftsverband (MWV) sogar eine Erhöhung des Treibhauseffektes durch Bio-Diesel nicht ausschließen mag und an Grundwasserschädigungen durch Monokulturanbau von Raps als Folge der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln erinnert, verweist die von der Bundesregierung gegründete Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe selbst in Hochglanzwerbebroschüren inzwischen kleinlaut darauf hin, daß Bio-Diesel im Vergleich zu herkömmlichem Kraftstoff "mehr als doppelt so teuer" sei und wohl nur eine Chance in Nischenmärkten wie etwa dem Verkehr in Wasserschutzgebieten habe.

Untersuchungen der Veba Öl AG zeigen, daß Komponenten aus Rapsöl, die als Beimengungen in Raffinerieanlagen wie Hydrotreatern und Hydrocrackern problemlos verarbeitet werden könnten, die Kältestabilität des Kraftstoffes vermindert. Die Grenze für eine Zumischung von "rapsölstämmigen Komponenten", so Wolfgang Baldau, Leiter im Bereich Produktentwicklung und Anwendungstechnik, liege deshalb bei 1,5 Prozent im Winter und fünf Prozent im Sommer. Der Aufbau eines separaten Verteilungsnetzes für Bio-Diesel kommt für den Konzern, der die Aral-Tankstellen mit Treibstoff versorgt, aus Kostengründen ohnehin nicht in Frage.

Kritik kommt auch vom Berliner Umweltbundesamt (UBA). Nach Berechnungen der Behörde koste die Verminderung des Treibhausgases COĽ durch RME als Dieselkraftstoffersatz je Tonne zwischen 1400 und 2500 Mark. Um Rapsöl gegenüber dem preiswerteren Dieselkraftstoff wettbewerbsfähig zu machen, bedeute dies staatliche Subventionen von jährlich 700 bis 900 Millionen Mark. Verbesserungen der Motor- und Fahrzeugtechnik zur Kohlendioxidminderung seien aus Sicht des UBA vorzuziehen. Hinzu kämen eine geringere Dauerlagerfähigkeit vom RME sowie problematische Veränderungen der Motorölbestandteile.

Ungeachtet aller Argumente gegen den Bio-Diesel wurde gestern der Fuhrpark des Bundestags mit vier neuen Bio-Diesel-Mercedes E 250 ausgestattet. Parlamentspräsidentin Rita Süssmuth nahm die Fahrzeuge persönlich von Mercedes-Benz-Vorstandsmitglied Dieter Zetsche entgegen.

Die verschiedenen Autoantriebe belasten die Umwelt unterschiedlich stark. In der Grafik sind nicht nur die Emissionen beim Fahrbetrieb, sondern auch jene bei der Kraftstoff-Herstellung aufgezeigt FOTO: QUELLE: DDT